Gamesucht
Eine Gamesucht meint eine Abhängigkeit von Computer-, Video- oder Handyspielen.
Games wurden als Freizeitbeschäftigung erfunden und sollen Spass machen. Gegen bewusstes Gamen in verträglichem Rahmen ist deshalb nichts einzuwenden.
Was als verträglich gilt ist aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit und manche Menschen sind eher gefährdet eine Gamesucht zu entwickeln als andere (siehe Risikofaktoren).
Die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), definiert eine Spielstörung als ein Muster von verschiedenen Verhaltensweisen:
- Eingeschränkte Kontrolle über das Spielen: Die Kontrolle über den Beginn, das Beenden und die Dauer des Gamens ist stark eingeschränkt. Die Betroffenen spielen auch dann, wenn sie eigentlich nicht wollen bzw. wissen, dass sie nicht spielen sollten.
- Zunehmende Priorität: Dem Spielen wird immer mehr Zeit und Raum gegeben. Dies auf Kosten anderer Interessen, täglichen Aktivitäten oder Verpflichtungen.
- Fortführen des Spiels: Die Betroffenen spielen immer weiter, obwohl sie aufgrund dieses Verhaltens Probleme erleben (anhaltender Schlafmangel, Streit in Familie/Beziehung, Probleme in Schule, Lehre und Arbeit).
Damit eine Spielstörung diagnostiziert werden kann, muss das Verhaltensmuster so schwerwiegend sein, dass es zu einer erheblichen Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führt, und es muss normalerweise seit mindestens 12 Monaten bestehen.
Ob eine Sucht tatsächlich vorliegt, kann nur von ausgebildeten Fachpersonen festgestellt werden.
Wer Zweifel hat, ob evtl. ein suchtartiges Verhalten vorliegt, kann einen Selbsttest machen. Dieser ersetzt keine professionelle Diagnose, kann aber erste Hinweise geben.
Folgende Faktoren können eine Suchtentwicklung fördern:
- Belohnungen: Belohnungen in Games können Erfahrungspunkte (XP) sein, Gegenstände (Ausrüstung, Waffen oder Skins) oder einen kleinen Betrag der jeweiligen Spielwährung. Belohnungen zu erhalten fühlt sich gut an und motiviert die Spielenden, weiter Zeit mit dem Spiel zu verbringen. Das Jagen nach Belohnungen ("Chasing") kann die Entwicklung einer Gamesucht fördern.
- Lootboxen: Lootboxen sind virtuelle Behälter (Kisten, Boxen oder Umschläge etc.) die als Belohnung in Games vorkommen. In Lootboxen sind zufällige Gegenstände, die einen Spielvorteil bringen oder dazu dienen, Ausrüstungsgegenstände oder die eigene Spielfigur zu verschönern (Skins). Oft können Lootboxen auch gegen Spielwährung gekauft werden. Benötigt man mehr Spielwährung, kann diese für echtes Geld dazu gekauft werden. Je mehr Geld in ein Spiel investiert wird, desto wertvoller erscheint das Spiel den Spielenden.
- Mikrotransaktionen: Mikrotransaktionen sind kleinere Investitionen echten Geldes in ein Spiel. Das Geld wird dabei für Belohnungen (z.B. Lootboxen) ausgegeben oder dafür, dass keine Werbeunterbrechungen mehr vorkommen. Vor allem Gratisspiele (Free2Play) schränken das Spielerlebnis immer wieder bewusst ein, in dem sie künstliche Pausen einbauen oder die Level so schwer gestalten, dass nur diejenigen Spielerinnen und Spieler weiterkommen, die sich für Geld bessere Ausrüstungsgegenstände oder Waffen kaufen.
- soziale Aspekte: In manchen Spielen hängt der Spielfortschritt von sozialen Interaktionen ab: Eine Mission ist nur in einer Gruppe zu bewältigen oder man erhält nur dann mehr Punkte im Spiel, wenn man eine Freundin oder einen Freund dazu bringt, das Spiel auch zu spielen. Solche Faktoren können grossen Druck ausüben und dazu führen, dass man spielt obwohl man gar keine Lust oder Zeit hat. Manche Menschen fühlen sich durch ihren Freundeskreis unter Druck gesetzt, auch ein bestimmtes Spiel zu spielen. Um "aufzuholen" investieren diese Menschen oft viel Geld, um schneller voran zu kommen (siehe Mikrotransaktionen).
- Persönliche Faktoren: Menschen mit einer Depression, Angststörungen, sozialen Phobien oder ADHS sind häufiger von einer Gamesucht betroffen als andere. Erlebt man in anderen Lebensbereichen (Familie, Schule, Beruf oder Freundeskreis) Probleme oder ist evtl. überfordert, können Games mit ihren klaren Vorgaben und sich anpassenden Anforderungen sehr verlockend sein: Für manche Menschen ist die Gamewelt verständlicher und einfacher zu bewältigen, als das richtige Leben.
Folgende Verhaltensweisen können vor einer Suchtentwicklung schützen:
- Selbstkontrolle und gemeinsame Regeln: Wer sich bewusst ist, in welchen Situationen das Gamen nicht mehr gut kontrolliert werden kann, kann sich für diese Momente Strategien überlegen (z.B. bewusst Pause machen) und schauen, ob es wirklich sinnvoll ist, weiterzuspielen. Auch sollte man bei Frust oder Traurigkeit eher nicht spielen, da das Gamen so zu einer Strategie werden kann, wie man mit solchen Momenten umgeht. Eltern sollten Regeln in Bezug auf das Gamen gemeinsam mit ihrem Kind aushandeln: Kinder befolgen Regeln eher, wenn sie diese nachvollziehen und verstehen können.
- positive persönliche Beziehungen zur Familie: Ein positives Umfeld, in dem man gemeinsam Dinge erlebt, sich unterhält und auch bildschirmfreie Zeiten erlebt, steigert das Wohlbefinden, reduziert Stress und führt somit zu einer höheren Ausgeglichenheit. Stressbedingtes Gamen wird somit seltener.
- Verständnis und Toleranz: Nicht alle Menschen finden Games toll oder können etwas damit anfangen. Es ist aber wichtig, die Faszination anderer Menschen für das Gamen zu respektieren. Wer ständig für sein Hobby kritisiert wird, zieht sich zurück...und gamed evtl. sogar mehr.
- Interesse und Austausch: Games sind nur für diejenigen wirklich erlebbar, die selber spielen. Nur durch das Zuschauen, versteht man die Faszination von Games nicht. Eltern sollten die Games ihrer Kinder am besten selber mal ausprobieren und kennenlernen. Dieses Erlebnis kann helfen, sich mit den Kindern besser über die Games auszutauschen. So können auch einfacher gemeinsame Regeln aufgestellt werden.
- Selbsttest: Ein Selbsttest hilft, das eigene Verhalten richtig einzuschätzen und ermöglicht, dass negative Veränderungen frühzeitig erkannt werden.
- Beratung und Behandlung: Wer vermutet, Gamesüchtig zu sein, sollte die eigene Situation mit einem Profi besprechen. Ob wirklich eine Therapie nötig ist, wird im gemeinsamen Gespräch festgestellt. Auch Angehörige von Menschen mit einer Gamesucht können sich so Hilfe holen. Zögern Sie nicht!